Was hindert Frauen daran, das Familienleben besser zu gestalten.
Es gibt ein sehr schönes Gleichnis darüber, was eine Frau wirklich kann und was sie
daran hindert.
Eine junge Frau kam eines Tages zum Haus eines Bergeremiten, um ihn um Hilfe zu
bitten. “Es geht um meinen Mann”, sagte sie. “Ich habe ihn sehr lieb. In den vergangenen
drei Jahren war er immer weg und hat im Krieg gekämpft. Jetzt, wo er wieder zurück ist,
spricht er kaum mit mir oder anderen. Wenn ich etwas sage, scheint er es nicht zu hören.
Wenn er überhaupt redet, verwendet er barsche Worte. Wenn ich ihm ein Essen serviere,
das ihm nicht gefällt, schiebt er es beiseite und verlässt wütend das Zimmer. Wenn er in
den Reisfeldern arbeiten sollte, sehe ich ihn manchmal, wie er müßig oben auf dem Hügel
sitzt und zum Meer schaut. Mehr ist nicht zu sagen, gelehrter Mann. Ich möchte einen
Zaubertrank, den ich meinem Mann geben kann, damit er wieder liebevoll und freundlich
wird wie früher.”
“Ach, so einfach ist das?”, fragte der Eremit. “Ein Zaubertrank! Nun gut, dein Zaubertrank
kann hergestellt werden. Aber die wichtigste Zutat ist ein Barthaar von einem lebenden
Tiger. Bring mir dieses Barthaar, dann gebe ich dir, was du brauchst.”
“Ein Barthaar von einem lebenden Tiger! rief die junge Frau aus. “Und wie soll ich das
bekommen?”
“Wenn der Zaubertrank dir wichtig genug ist, wird es dir gelingen”, erwiderte der
Einsiedler. Er wandte den Kopf ab, denn er wollte nichts weiter dazu sagen.
Die Frau ging nach Hause. Sie dachte sehr viel darüber nach, wie sie das Barthaar eines
Tigers beschaffen könnte. Dann, eines Nachts, als ihr Mann schlief, schlich sie aus dem
Haus, eine Schale Reis mit Fleischsauce in der Hand. Sie ging zu der Stelle am Berghang,
an der ein Tiger lebte. Sie stellte sich weit vor der Höhle des Tigers auf, hielt die Schale
mit Nahrung ausgestreckt vor sich und rief dem Tiger zu, er solle kommen und fressen.
Der Tiger kam nicht.
In der nächsten Nacht wanderte sie wieder dorthin, diesmal ein bisschen näher. Wieder
bot sie eine Schale mit Nahrung an. Jede Nacht ging sie nun in die Berge, und jedes Mal
stellte sie sich ein paar Schritte näher an die Höhle des Tigers. Nach und nach gewöhnte
der Tiger sich daran, sie dort zu sehen.
Eines Nachts war sie nur noch einen Steinwurf weit von der Höhle des Tigers entfernt.
Dieses Mal kam der Tiger ein paar Schritte auf sie zu und hielt dann inne. Die beiden
sahen sich im Mondlicht an. In der nächsten Nacht passierte das Gleiche, und diesmal
kamen sie einander so nahe, dass die mutige Frau leise und beschwichtigend auf en Tiger
einreden konnte. In der nächsten Nacht fraß der Tiger die Nahrung, die sie ihm darbot,
nachdem er ihr genau in die Augen gesehen hatte. Wenn die Gemahlin des Kriegers von
nun an des Nachts kam, wartete der Tiger schon auf dem Weg auf sie. Wenn er gefressen
hatte, konnte sie sacht mit ihrer Hand über seinen Kopf streichen. Fast sechs Monate
waren seit ihrem ersten Besuch vergangen. Schließlich sagte sie eines Nachts, nachdem
sie den Kopf des Tieres liebkost hatte: “O Tiger, großzügiges Tier, ich brauche ein
Barthaar von dir. Sei nicht böse auf mich!”
Und sie zupfte ihm ein Barthaar aus.Der Tiger wurde nicht wütend, wie sie befürchtet hatte. Die junge Frau ging oder besser
rannte den Weg zurück und hielt das Barthaar fest in der Hand.
Sobald am nächsten Morgen die Sonne über dem Meer aufging, stand sie vor dem Haus
des Bergeremiten. “Oh, Hochberühmter!”, rief sie, “ich hab´s! Ich habe das Barthaar des
Tigers! Jetzt kannst du mir den Zaubertrank machen, den du mir versprochen hast, damit
mein Mann wieder liebevoll und freundlich wird!” Der Eremit nahm das Barthaar und
untersuchte es. Zufrieden darüber, dass es wirklich von einem Tiger stammte, lehnte er
sich vor und ließ es in das Feuer fallen, das in seiner Feuerstelle brannte.
“Also du hast den Tiger gezähmt und sein Vertrauen und seine Liebe gewonnen, sagte der
Einsiedler. Weib, ich möchte dich fragen, ist ein Mann bösartiger als ein Tiger? Reagiert er
weniger auf Freundlichkeit und Verständnis? Wenn du durch Freundlichkeit und Geduld
die Liebe und das Vertrauen eines wilden, blutrünstigen Tieres gewinnen kannst, kannst
du dasselbe doch sicher auch mit deinem Mann machen?”
Dieses Märchen spiegelt uns eine Tatsache wieder, die nicht von der Hand zu weisen ist:
sehr oft bemühen wir uns nicht mal, die Beziehung zum eigenen Mann zu verbessern. Mit
Wehmut werden wir es allerdings gestehen müssen, aber die Wahrheit ist nicht immer
schön und bequem.
Ich denke an die Geschichte einer Frau zurück, die ich eines Tages kennenlernen durfte.
Sie war seit über 20 Jahren verheiratet. All die Jahre, solange ihre Kinder sie brauchten,
war es für sie selbstverständlich, für die Familie dienlich und umsorglich da zu sein. Sie
hatte gekocht, gewaschen, geputzt. Das Verhältnis zu ihrem Mann war ausgeglichen
gewesen.
Jedoch nachdem die Kinder das Haus verlassen hatten, ging es ihr so, als ob etwas in ihr
kaputtgegangen worden wäre. Ein Jahr später verkündete ihr Ehemann, er habe eine
Andere. Nein, „die Neue“ war nicht jünger und schöner. Im Gegenteil war sie etwas älter
als er, und auf den ersten Blick sogar unscheinbar. Aber mit ihr ist der Gatte aufgegangen
und erblüht…
„Und dann fragte ich mich“, erzählte sie später, „was habe ich falsch gemacht? Warum
zerbrach alles? Wir waren unser ganzes Leben lang zusammen, wir haben Kinder
großgezogen und nun sind wir auf verschiedenen Planeten gelandet.“
Die Antwort kam im Schlaf. Sie wurde einer Nacht wach und plötzlich wusste Bescheid: In
ihrer Familie gab es früher Traditionen und Riten, die den Alltag ihrer Lieben begleiteten.
So, zum Beispiel, als der Mann abends nach Hause kam, saß bereits die ganze Familie
am gedeckten Tisch versammelt. Die Kerzen wurden angezündet, am Tisch gab es stets
eins seiner Leibgerichte und sie reichte ihm immer ein frisches Handtuch zum abtrocknen
der Hände. Es wurde ein Tischgebet ausgesprochen und die Familie saß noch lange nach
dem Essen da, denn es war immer etwas zu besprechen gewesen.
Als Kinder das Haus verließen, gab es keine servierten Abendmahle mehr. Keine Kerzen,
keine aufwändig zubereiteten Speisen, kein frisches Handtuch. Nichts von dem, was ihre
gemeinsame Zeit der letzten 20 Jahre ausmachte, war mehr da.
Als sie es begriffen hatte, beschloss sie alles zu verändern. Eines Abends gab es wieder
einen mit Kerzen und Tischdecke servierten Tisch, es gab wieder sein Leibgericht, das
saubere Handtuch war auch da. Als Mann meiner Freundin das Haus betrat, konnte er nur noch sprachlos dastehen. Alles war wie früher, nur der Tisch wurde für zwei Personen
gedeckt.
„Für wen hast Du das alles gemacht? Die Kinder sind doch nicht mehr da, dieser Prunk ist
nicht mehr notwendig…“, fragte er leise.
„Ich machte das für Dich“, antwortete sie weinend, „ich habe meinen Fehler erkannt. Auch
früher habe ich das nicht für Kinder, sondern für Dich gemacht, denn Du warst der
wichtigste Mensch in meinem Leben gewesen“.
Zum ersten Mal sah sie dann ihren Mann weinen. Er stand da, schaute sie an und die
Tränen liefen ihm übers Gesicht. So konnte sie die Situation verändern. Sie brauchte
nichts in die Richtung ihrer Rivalin zu machen, sie musste ihm keine Szenen machen, sie
änderte bloß ihr Verhalten, so dass ihr Mann wieder spüren konnte, dass er immer noch
geliebt wird.
Dieser Weg ist jedoch viel schwerer, als sich ständig zu beklagen oder einfach Schluss zu
machen. Es ist schwerer, als die Schuld dem eigenen Mann für sein Fremdgehen zu
geben, weil man in dem Moment die Verantwortung fürs eigene Leben selbst übernehmen
muss. Man muss erwachsen und klug werden. Man muss sich verändern.
Natürlich ist das keine Garantie und nicht jede Beziehung kann man so retten. Lassen Sie
uns doch realistisch bleiben – zu einer Beziehung gehören immer zwei dazu. Selbst wenn
der Eine sich sehr bemüht, tut alles Mögliche und Unmögliche, der Andere aber nichts
mehr will, dann kann man eine solche Beziehung nicht mehr heilen. Unsere
Verantwortung besteht somit darin, unserseits alles zu geben, um uns zu verändern.
Selbst wenn die Beziehung in die Brüche geht, kann uns unsere innere Transformation nur
zugute kommen. Wir werden von da an viele Fehler zu vermeiden wissen und ein neues,
gesundes Verhältnis aufbauen können.
Dazu gibt es noch eine Story. Sie beginnt genauso, wie die Erste: 20 Jahre Ehe, Kinder
aus dem Haus, eine Krise. Die Ehefrau hatte alles probiert, um die Ehe zu retten. Nur eins
hat sie vergessen – sich selbst. Sie hat sich in ihrem Mann und ihren Kindern komplett
aufgelöst. Sie konnte nicht mal eine simple Frage beantworten: „Und was willst DU?“
Selbst wenn sie bestimmte Wünsche hatte, verdrängte sie diese, denn sie war es sich
selbst nicht Wert, eines neuen Kleides oder eines schönen Rings würdig zu sein. Ihr Mann
hatte sich beklagt, dass man sie mit nichts glücklich machen könne, denn alle seine
Bemühungen werden von ihr nicht aufgenommen.
Nach ein Paar Jahren verließ er sie. Für eine andere. Sie war eine Altersgenossin von
ihm, verwitwet, wusste immer, was sie will. Das war ein bitterer Schlag für meine
Bekannte! Und was für einer!
Sie hat sich sehr bemüht, um ihn zurückzugewinnen. Vergebens. Er zahlte Unterhalt, hatte
seine Anteile am Haus und Auto nicht beansprucht. Zurück wollte er doch nicht. Die
Scheidung verlief sehr schnell, denn er allen ihren Forderungen zugestimmt hat. Und so
begann für sie ein neues Leben.Erst war es ihr sehr ungemütlich im leeren Haus allein zu sein. Depression, Apathie,
Schuldgefühle plagten ihre Tage und später auch ihre Nächte. Und dann hatte sie
beschlossen, die Situation zu ändern.
Der Verwandlungsprozess war lang, mit vielen Stationen: Psychologen, Seminare,
Freundinnen. Das Wichtigste war – sie begann sich etwas zu wünschen. Sie suchte nach
ihren Stärken, sie ging unter die Leute. Allmählich lernte sie zu akzeptieren, wenn Männer
um sie warben: Tür aufmachen lassen, eine Einladung zum Kaffeetrinken nicht ablehnen,
etc.
Nun ist sie wieder verheiratet. Mit einem anderen Mann. Die Beziehung zwischen den
beiden ist auch eine andere. Sie blieb sich treu. Sie weiß ganz genau, was sie will. Sie
kann ihrem Mann ihr Herz ausschütten. Das Vertrauen ist da. Jeden Monat wird sie von
ihm beschenkt: Schmuck, Kleidung, Wellness-Gutscheine. Und sie nimmt diese
Liebeszeichen von Ihrem Gatten mit Freude und Dankbarkeit an.
Sie denkt mit Bedauern an ihre erste Ehe: „Es war bloß eine Koexistenz auf einem
gemeinsamen Raum“. Sie hatte klar gesehen, dass sie auch ihre erste Ehe retten konnte.
Wenn sie sich rechtzeitig für die bitter nötigen Veränderungen öffnen würde.
Allerdings das, was sie heute hat, macht sie richtig glücklich. Sie kann endlich sie selbst
sein: offen, liebevoll und warmherzig.
Die meisten Hindernisse auf dem Wege der Veränderung sind:
•
Geiz. Knauserei. Wenn wir ganz genau wissen, was uns geschuldet wird, wollen aber
nicht ein wenig mehr zurück geben, oder zumindest genau so viel. Wenn wir geizig mit
Emotionen, Aufmerksamkeit, Unterstützung oder Hilfe, die wir leisten können, umgehen.
Wenn uns eine halbe Stunde unserer Zeit für unsere Lieben zu viel ist. Wenn wir mit
Emotionen in Vorleistung nicht treten möchten, wenn jemand unsere Warmherzigkeit
braucht. Wenn unser Herz unempfindlich und träge wird.
•
Begehrlichkeit. Lüsternheit. Wenn wir nur Freude von unserer Beziehung fordern.
Wenn wir keine Schwierigkeiten oder Komplikationen dulden wollen. Wenn unser Partner
uns jeden Wunsch von den Lippen ablesen muss. Wenn das bequeme Leben zum
Selbstzweck wird.
•
Egoismus. Wenn „Ich, mir, meins“ zur Lieblingsmantra wird. Egoismus kann
unterschiedlich ausgeprägt sein. Von der Missachtung von Nöten und Wünschen des
Partners bis zur Ignoranz der eigenen Bedürfnisse hin. Sowohl das Eine, als auch das
Andere sind bloß zwei Seiten einer Medaille. Denn in beiden Fällen gibt es nur ein Ziel:
Ausbeutung des Partners. Nur im ersten Fall – direkt, und im Zweiten – mittelbar. In
unserem Unterbewusstsein sind wir überzeugt, dass wenn wir was Gutes tun, dann soll
das belohnt werden. So treibt man den Partner durch dieses Verhalten in ein
emotionales Schuldenloch hinein. Und Schuldgefühle sind die besten Fesseln.
•
Faulheit. Ihre Gründe können unterschiedlicher Natur sein. Es gibt Faulheit, die ihre
Wurzeln in der Kleinlichkeit hat (ich will nichts machen, da zu schade für den Aufwand),
die die auf Begehrlichkeit (werde nichts geben, da der Input zu gering) oder Egoismus
basiert (alles nur mir!). Und es gibt Faulheit, die aus Apathie erwächst. Es ist nichts zu
schade, es gibt keinen Eigennutz – es ist nur unmöglich sich aufzurichten um etwas zu
tun. Zu faul zum Kochen, zu faul zum Tee machen, zu faul um sich zurecht zu machen,
etc.•
Fehlende Liebe. Das ist das grösste Hindernis, das es geben kann. Denn selbst wenn
wir alles richtig aber lieblos machen – ist alles umsonst. Lassen Sie mich an dieser Stelle
den Apostel Paulus Zitieren:
Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht,
wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.
Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis
hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber
die Liebe nicht, wäre ich nichts.
Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib dem Feuer
übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts.
Das Gleiche gilt für das Familienleben. Essen, das ohne Liebe zubereitet wurde, kann
nicht nähren. Essen, das mit Zorn zubereitet wurde, kann vergiften. Das mechanische
Abspulen von Verpflichtungen hilft dem Familienaufbau nicht.
Warum haben wir keine Liebe im Herzen? Man kann immer sagen, so sind die heutigen
Zeiten, heutige Erziehung, usw. Man kann damit fortsetzen, dass man eigentlich Atheist
sei. Ja, wir sagen, dass es einen Gott gäbe, verhalten uns jedoch so, als ob es keine
Höhere Macht existieren würde. Woher soll dann die Liebe ins Herzen kommen?
Wenn die Liebe da ist, dann ist es halb so schlimm, wenn das Abendessen nicht pünktlich
oder versalzen auf den Tisch kommt. Wenn es einen Fleck auf dem Hemd gibt, oder es
nicht gründlich geputzt wurde.
Denn die Hauptpflicht einer Frau in der Liebe besteht.
Unser größtes Problem ist also, dass wir die ganze Welt zu verändern versuchen – andere
Menschen, Umstände, Zeiten, und niemals uns selbst.
Olga Valyaeva – valyaeva.com
Translated by Ola Genzel